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"Erzähl' mal, Marek, was du da so alles bei den Gesprächen mitgekriegt hast. Waren die auf Deutsch?", frage ich.
"Na, klar. Die Merkel kann doch kein Französisch, musste wissen. Ein paar Brocken Englisch. Weißte eigentlich, wie das geht? Natürlich nicht, Ötte, woher auch."
"Wie geht das denn? Erklär's mir."
"Ganz einfach: Sie sagte zum Beispiel: 'Guten Tag, mein liebster Emmanuel.' Und Macron hörte dann: 'Bonne journée mon cher Emmanuel', oder so ähnlich. Weißte wie man das nennt, Ötte? Das ist eine Simultan-Übersetzung. Da staunste, was ich alles weiß. Ich bin eben kein kleiner Dummer, verstehste?" Ich lache mit ihm. "Und die Merkel hört dann nicht selten vom Macron über den kleinen Knopf im Ohr: 'Ich grüße Dich ebenfalls Chèrie', oder so ähnlich! Aber die meiste Zeit, Ötte, war ich ganz allein, hatte keinen Gesprächspartner. Zum Kotzen langweilig! Deshalb bin ich abgehauen, habe mich verdünnisiert, per Anhalter, wie du ja weißt. Und ich habe alles richtig gemacht. Hier gefällt es mir super, hier bleibe ich, wir sind ein gutes Team! Meinste nicht auch?" 
"Das ist stark, was du da von dir gibst. Das ehrt mich, mein lieber Marek, spitzenmäßig!"
"Was steht denn heute an, gehste zum Frühschoppen? Kommt denn dann auch der Paule und der Fritze dazu, von denen du immer so schwärmst?"
"Nee, nee, heute muss ich mal wieder für meine Zeitungen ein paar Kolumnen schreiben", sage ich.
Ich gehe also ans Werk und bearbeite die Tastatur meines PCs. Ich hab' den Kopf voller Geschichten. Plötzlich steht Marek neben mir und fragt: "Wann gibs denn was zu futtern?" In Gedanken meiner Geschichte versunken, sage ich: "Später, später". Marek lässt mir keine Ruhe und spricht: "Aber nicht schon wieder Pizza, Ötte, die hängt mir zum Halse raus, hoscht mie?"
"Nee, nee, mal sehn!" erwidere ich geitesabwesend. Marek wackelt wankend aus dem Zimmer und flucht leise vor sich hin. Eine halbe Stunde später gehe ich in die Küche und brate uns fünf Spiegeleier, das geht schnell und sättigt gut, wenn man das ungesunde helle Brot dazu verspeist.
"Machste Spiegeleier?", fragt Marek, dem der hungrige Magen bis zum Boden hängt.
Otto: "Na klar, das siehste doch, oder? Willste lieber Kaviar und einen guten Rotwein dazu? Beides kriegste heute Abend, denn dann feiern wir zusammen Merkels Abschied als CDU-Parteivorsitzende. Welch eine Freude."
"Weißte Ötte, ich hätte mich heute richtig besoffen, wenn die Merkel auch als Kanzlerin von der Bühne abgetreten wäre."
"Warum das denn, frage ich?"
"Ganz einfach: die kümmert sich doch nur um sich selbst und ihren Macron. Fliegt durch die Gegend, was das alles kostet, und verpestet die Luft. Ötte, oder haste schon mal gehört, dass die sich um die Bürgerinnen und Bürger hierzulande kümmert? Oder beispielsweise um die zu engen Schweine-Ställe, wo die Tiere fast täglich qualvoll krepieren? Weißte, wie Frau Merkel diese Tiere nennt? Für sie sind das Nutztiere, die auf den Teller gehören und den großen Fleischfressern dicke Wampen bescheren. Wie heißt es doch so schön? Dummheit frisst, Intelligenz säuft! Und wenn ich dann immer wieder von ihr höre: die Menschen, in einem Satz dreimal: die Menschen. Ob die Millionärin schon mal was von Bürgerinnen und Bürgern gehört hat? Oder von Mitbürgerinnen und Mitbürgern? Doch einmal im Jahr, bei der Neujahrsansprache, spricht die feiste Tante sogar von ‚lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern‘... Hört, hört! Alles Show!“
„Mensch Marek, jetzt haste aber Dampf abgelassen, musste das sein?" "Das musste sein, mein Lieber! Ein Glück, dass ich ein Vogel bin, sonst würde die es zulassen, dass wir Ziervögel auch noch geschlachtet werden, so wie die Italiener die Singvögel verspeisen. In was für einer Welt leben wir eigentlich?"
"Male doch nicht alles so schwarz. Dir geht es doch sehr gut, oder? Du hast eine warme Wohnung, Körnerfutter und andere Nahrung für dich ist reichlich vorhanden und du kannst dich im Sommer immer dann im Badezimmer in der Badewanne tummeln, solange du Lust hast. Ist das nix?"
"Hör mal Ötte, hattest du heute Nacht Damenbesuch? Die ganze Nacht. Kann das sein in deinem Alter mit 81?"
"Marek, du bist doch nicht etwa neidisch?"
"Nö, Ötte, wer war denn die tolle Frau, die es mit dir die ganze Nacht im Bett ausgehalten hat?"
"Das war die Nachbarin Ilse, du kennst sie ja, Marek."
"Dieser steile Zahn, so um die 40?"
"Genau die, mein lieber Marek."
"Was wollte die denn von dir? Doch nicht etwa mit dir pennen?"
"Sie war mal wieder einsam und brauchte Unterhaltung."
"Nur Unterhaltung, Ötte? Was hat sie denn an der Tür gesagt?"
"Sie sei so einsam und wolle bei mir schlafen. Wenn ich es nicht zulasse, dann wolle sie sich erschießen."
"Und wie ich dich kenne, haste sie geküsst, umarmt und in dein Schlafzimmer gezerrt, sie in deinem Bett schlafen lassen und ihr so das Leben gerettet? Richtig? Mehr nicht?"
"Du bist ein verdammt schlauer Vogel, Marek. Und neugierig dazu."
"Das hat noch nie einer zu mir gesagt, Ötte! Übrigens, bei der Ilse würde ich auch nicht nein sagen, wenn sie bei mir nach einem Nachtquartier fragen würde. Kannste mir glauben!"
"Wer sollte dich schon fragen, mit dir zu nächtigen? Keiner, behaupte ich."

 

 

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